Samstag, 22. September 2007
Schmetterlinge
Und so geschah es: Er tauchte vor mir auf wie aus dem Nichts - und hatte alles: Styl, Eleganz, Charme. Ja, ich gebe es gerne zu, ich habe eine neue Liebe gefunden: Shasa. Ein, zugegeben, etwas ungewöhnlicher Name, aber was kann schon ein Name gegen wahre Liebe ausrichten? Shasa gibt mir alles, ohne, dass ich danach fragen muss. Sasha begleitet mich, egal, wohin ich gehe. Sasha umschlingt mich, schmiegt sich eng an meine Haut und löst dieses altbekannte Kribbeln in mir aus, jedes Mal, wenn ich ihn sehe. Sasha, das ist ein Kleiderladen an der 5 de Mayo.
Als ich ihn betrat, sprühte ich über. Kleidli, Blüsli, Liibli in allen Farben und Stoffen, eng aneinandergereiht an zu wenigen Ständern. Zu viele Frauen zwängen sich durch den spärlichen Platz zweier Kleiderreihen. Verkäuferinnen müssen ausgerechnet ihre Ladung Kleider an diejenige Stange hängen, an der du stöberst. Dicke Mamas wackeln hinter ihren Teenagetöchtern hinterher, um zu kontrollieren, dass diese auch nichts zu gewagtes zum Klassenball aussuchen, und schubsen dich beiseite, Boyfriends stehen gähnend in der Ecke, ungeduldig wartend, bis ihre Mädchen endlich aus der Umkleidekabine kommen, nur, um ihnen zu sagen, dass sie noch etwas anprobieren müssen.
Die Frauen-Shoppingkultur kennt keine Sprache, keine geographische Lage, keine Hautfarbe, sie ist universal, so lange die Kasse die Kreditkarte akzeptiert.
Ich drang in diesen Dschungel aus Gier und Kommerz ein, liess mich schubsen, rempelte versehen die im Wege stehenden Jünglinge an, stöberte durch Stoffe, Farben, Grössen und Muster und beendete meinen Beutezug erfolgreich. Ach - es war, als käme ich nach Hause...
Sonntag, 16. September 2007
Reise ins Ungewisse
70% der Mütter in Tabasco sind unter 20 Jahre alt. Marisol wusste wovon sie sprach; war ihre Mutter doch erst 14 bei Marisols Geburt.
Zur Vorspeise gehört in Mexiko Suppe, auch bei über 30 Grad im Schatten. Damals in Tabasco noch irritiert, kann ich inzwischen selbst nicht mehr ohne tägliche Suppe sein!
Wir besuchten den Aufklärungs-Workshop , den Marisol, Erika und Miguelito veranstalteten.
Die Kinder schienen gut über ihn Bescheid zu wissen, weshalb die hohe Anzahl an Teenagerschwangerschaften überrascht. Bleibt nur zu schliessen, dass jene, die den Workshop wirklich nötig hatten, nicht daran teilnahmen.
Tabasco, das war Arbeit gewürzt mit mexikanischem Bier (die Jungs mochten meine mexikanische Panache-Variante nicht...), traditionellem Glacé-Schnee und so vielen Mückensticken, wie sie auf meinen Beinen überhaupt Platz fanden. Die Jungs schienen keine Pause zu brauchen und ich musste einen hohen Gang einschalten, damit ich überhaupt mit ihnen mithalten konnte. An unserem letzten Tag merkte ich, dass meine Beine eine Wachsbehandlung nötig gehabt hätten, aber ich traute mich nicht, es zu erwähnen. Ich wollte das toughe Mädchen sein und nicht mit dem girlie-behaviour anfangen...
Bevor wir unser nächstes Ziel, San Cristóbal, ansteuerten, wollten die Jungs den Umweg über Palenque machen. Ich würde alles kriegen auf dieser Reise: Landschaft, Leute und jetzt sogar Tourismusattraktionen. Die Mayastadt war in den 50-er Jahren inmitten des Dschungels von Chiapas entdeckt worden, nachdem sie hunderte von Jahren vor sich her geschlummert hatte.
Erst hier erfuhr ich von Erich Von Dänikens Theorie, dass das Sterbebild, welches den bedeutenden Maya-Könik Pacal auf seinem Bett zeigt, nicht das Bild eines Sterbenden war, sondern ein Abbild des Königs in seinem Raumschiff. Ach, müssen wir Europäer uns auf diese Weise erkenntlich machen? Müssen wir uns in alles einmischen?
San Cristóbal empfing uns mit einer angenehmen kühlen Brise und - ach - Bergen.
Die Touristen nutzten die schöne Altstadtkulisse als Hintergrund ihrer Erinnerungsfotos, was mich auf die Idee brachte, uns drei Reisende zumindest auf einem Foto zusammen zu verewigen. Leider wurde das Foto nicht besonders gut, da wir nicht auf den Klick gefasst waren. Wir waren in dem Moment gerade dabei, dem Fotografen die letzten Anweisungen zu geben...
In San Cristóbal sollte ich Schelte kriegen. Wieso war ich auch im wichtigsten Moment der Sitzung mit unseren San Cristóbal-Leuten abgeschweift? Und wenn ich abgeschweift sage, dann meine ich: für den ganzen Rest unseres Meetings. Ich dachte in dem Moment, dass ich mir das erlauben könne nach all den Anstrengungen konzentrierten Zuhörens in den letzten Tagen. Das alles wäre noch nicht so schlimm gewesen, hätte ich nicht am Abend über den anstehenden Workshop ausserhalb der Stadt befragt, worüber während der ganzen Sitzung gesprochen wurde... Doch zu dem Zeitpunkt dachte ich immer noch nicht, dass dies derart schwerwiegende Aussichten habe würde.
Erst beim Frühstück sollte ich ins Verhör genommen werden. "Was genau weisst du eigentlich über die Gegend, in der wir uns befinden? Es scheint uns sehr, als verpasst du eine Menge, weil du vieles nicht verstehst! Sag uns jetzt, was du über Mexiko weisst! Die Art, wie Tajin seine Fragen stellte, war nicht belehrend, sondern gemein. Autsch! Ich musste an meinen dicken Erstklass-Reiseführer denken und all die Stunden, die ich darin über Chiapas gelesen hatte, seit ich wusste, dass ich in diese Region geschickt werden würde. Nachträglich stelle ich mir die Gute-Nacht-Unterhaltung der beiden vor, nachdem ich mich vor Tajin als "Sitzungs-Abschweifer" geoutet hatte: "Ich glaube, wir haben Flurina überschätzt" oder "Sie interessiert sich nicht genug für die Problematik" oder "Es war nicht klug, sie herzuholen" - - -
Ich reagierte wie immer in solchen Situationen: keine Defensive! mach sie nicht noch mehr wütend, gib ihnen keinen Grund, noch mehr aufzutrumpfen. Gib ihnen Recht und versprich, dich zu bessern.
Schon kurz danach jedoch hatte ich das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben, mit meiner Strategie, mich für dumm zu verkaufen. Jetzt würden sie sich darin bestätigt fühlen, dass ich als unwissender Trampel hergekommen war. Ich fühlte eine Wut aufsteigen, die sich meiner derart bemächtigte, dass ich nicht einmal ein Wort herausbrachte. Ich war so wütend, dass die beiden mich anscheinend für ein Euro-Dummchen hielten, dass ich mich unbedingt rechtfertigen wollte.
Ich öffnete den Mund, um Tajin die ganze Schande zu sagen, aber was herauskam klang wie durch Katzenpfötchen gesprochen. Ich war dazu erzogen worden, nicht wütend mit jemandem zu sprechen. Also schmückte ich meine Worte mit weissem und rosafarbenem Zuckerguss. Vielleicht war es besser so. Ich forderte seinen Verteidigungsmechanismus nicht heraus, sondern erlaubte ihm, zu sagen, was er dachte. Ich war nicht ganz sicher, ob ich nach unserer Unterhaltung seine Vorurteile abgebaut hatte. Beide meiner Reisegspähnli waren mysteriös. Ich sollte nie genau wissen, was sie wirklich über mich dachten.
Tags darauf schliesslich gingen wir tatsächlich zum verhängnisvollen Workshop aufs Land. Die gute Strasse wurde von einer schlechten abgelöst. Diese wiederum von einer ungeteerten Landstrasse. Ab dem ganzen Geholper nicht genug war auch diese auf einmal zu Ende und wir fuhren auf einem Gemisch aus Wiese, Steine und Lehmboden. Und dies quer durch eine Weide aus Kühen uns Esel.
Einmal ausgestiegen sollte ich erfahren, wozu ich während meiner ganzen Kindheit in den engadiner Bergen herumgekraxelt war und ein Leben in der Wildnis gelehrt wurde: Unsere Schlafhütten waren in der Landschaft verstreut, wobei keinerlei Licht die Konsistenz des Weges dahin preisgab oder auch nur vor sumpfigen Stellen in der Wiese warnte. Einzig mein Taschenlämpli bewahrte uns davor, im Morrast steckenzubleiben.
Als ich hörte, was die Kinder alles erleben mussten, schämte ich mich, dass ich bezüglich meiner Familie je von einem Problem gesprochen hatte.
Wie konnte man diese Spirale von Gewalt und Elend je durchbrechen? Den Kindern jedoch war von ihrer Situation nichts anzumerken. Sie lachten, sie spassten und gaben mir damit die Hoffnung, dass sie trotz ihrer trüben Vergangenheit eine heitere Zukunft haben konnten.
Wie gestaltet man einen Workshop für Gewaltprävention bei Jugendlichen, die bereits Opfer, Täter oder beides zusammen waren? Die Kinder glänzten mit Enthusiasmus und Engagement. Kids in meinen Breitengraden könnten sich ein Beispiel nehmen
Die dreistündige Fahrt musste ich nutzen, um Cheque zur Rede zu stellen, weshalb er mich ignorierte. Cheque: ich habe drei Tage gebraucht, um die Strategie mit der Bande und den multiplen Antworten auszutüfteln!! Dank den Jungs gestaltete sich unsere Reise zu meinem eigenen privaten Workshop für effiziente Kommunikation.
Unsere letzte Station lag im Staat Oaxaca. Nach einer Woche in den Bergen von Chiapas kamen wir gerade rechtzeitig wieder ins heisse Unterland: waren doch inzwischen alle meine Mückenstiche von Tabasco verschwunden und meine Beine und Arme boten reichlich Platz für neue...
Cheque und Tajin machen Frühstück: Mexikanische Eier mit Tomaten und Chili und - nie und nimmer dürften die fehlen - Tortillas. Ein Mexikaner würde sich nie mit lumpigen Gomfibrötli zum Zmorge begnügen. Es muss mindestens etwas sein, das man in eine Tortilla füllen kann. Dies nicht zuletzt, weil das Mittagessen erst um drei Uhr ansteht. Und so überwandte auch ich mich, entgegen meiner Gewohnheit. beim Frühstück tüchtig zuzulangen. Bevor ich einen mexikanischen Kochkurs besucht habe, dürfte ich in der Küche wohl nichts ausrichten können, was folgender Dialog zeigt:
Flurina: womit kann ich euch helfen?
Cheque: du könntest die Tortillas wärmen
Flurina: Soll ich sie in die Mikrowelle werfen?
Cheque (schockiert) ich mache es selber...
Während unseres Aufenthalts in Oaxaca fühlte sich Tajin nicht wohl. In einer Arbeitspause liehen wir uns deshalb ein Auto eines Lehrers aus, in dessen Schule wir unser Programm vorstellen, und fuhren das Dorf ab auf der Suche nach einer Adresse, die man Tajin angegeben hatte. Wir hielten an einem Haus, als wir uns eingestehen mussten, dass wir uns verfahren hatte und Celia klingelte, um sich nach unserem Ziel zu erkundigen. Sie kam in den Wagen zurück und meinte, wir sollten einfach nach der Hexe fragen. Mir wähnte nichts Gutes. Durch eine religiöse Reinigung wollte Tajin sich also helfen lassen. Gleichzeitig war ich unheimlich neugierig, was wir bei der Hexe antreffen würden.
Geheiligter Tod, reinige Tajin von seinen Leiden, hörten wir die Hexe murmeln, während wir draussen warteten. Cheque machte mich auf einen Käfig mit einer Tarantel aufmerksam, der in der Ecke stand. Wo waren wir nur gelandet? Aus lauter Neugierde hätte ich mich selber gerne reinigen lassen. Die Prozedur dauerte jedoch so lange, dass ich mir nur wünschte, wieder in mit Ventilatoren ausgestattete Räumlichkeiten wechseln zu können. Ein andermal würde ich mich reinigen lassen. Hexen gibt es in Mexiko genug.
Als ich - wenige Tage vor meiner Abreise nach Mexico - meinen 30. Geburtstag feierte, vermisste ich die Portion Weisheit, die, wie ich fand, zu diesem Alter gehörte. Ich war enttäuscht, dass ich lediglich älter, nicht aber weiser fühlte. Nach zwei Wochen Mexiko total und einer Reise, während derer ich alle Register ziehen und gar neue erstellen musste, fühlte ich mich endlich - positiv anders.
Mittwoch, 12. September 2007
Tischgespräch
Hector: Flurina, wann machst du uns dein mousse au chocolat?
Flurina: Du könntest uns zu dir zum Essen einladen, dann bringe ich es?
Hector: Ich soll euch einladen, damit du dein mousse machst?
Flurina: ich könnte es hierher bringen, aber da der Kühlschrank nicht funktioniert, kann es nicht kühl bleiben
Hector: Und welche Zutaten brauchst du dafür?
Flurina: Frische Eier. Gibt es hier Eier mit Legedatum?
Cheque: Nein, unsere Eier haben Küken drin
Hector: Frische Eier in Mexico-Stadt? Das wird aber schwierig
Flurina: Nun, es reicht, wenn sie nicht verdorben sind...
Victor: Und womit isst man das Mousse?
Flurina: Nun, man isst es einfach so...
Victor: Einfach so, ohne etwas?
Flurina: Nun, man kann Guetzli dazu essen...
Victor: Ach, es kommt mit Guetzli?
Flurina: Ja, ich bringe euch Guetzli, wenn ich das mousse mache
Victor: Und worauf isst man es?
Flurina: nun, mann isst es einfach...
Victor: Man wickelt es nicht ein?
Flurina: Nein, auf keinen Fall, man ist es total pur!
Cheque: Kann man es wenigstens in eine Tortilla füllen?
Flurina: - - -