Text für "Sihltaler", Dez. 07
Mexico City sei einer der besten Orte zum wohnen, sagte man mir einst. Nie sei es hier drückend heiss und nie werde es wirklich kalt.
So konnte ich den Winter also getrost kommen lassen. Endlich ein Winter ohne rote Nase, ohne gefrorene Füsse und ohne steife Finger!
Anfangs Oktober nahmen die Supermärkte eine grosse Auswahl von Elektroheizern in ihr Sortiment auf, worüber ich nur lachen konnte. Auch boten immer mehr Strassenhändler Schals und Handschuhe an. So ein bisschen Temperatursenkung konnte eine frostgewohnte Schweizerin natürlich nicht umhauen. Ich lief weiterhin in meinem dünnen Jäckchen und Sommerschuhen umher.
Bis auf jenen Morgen. Jenen Tag, der mich bezüglich mexikanischem Klima neu belehren sollte. Der mich tief beschämen sollte, bedenke man, dass ich mich über die Kältevorkehrungen der Mexikaner lustig gemacht hatte. Der Morgen, als das Thermometer über Nacht um 15 Grad gesunken war.
Erst sollte ich gar nicht realisieren, was geschehen war. Draussen wehte ein etwas kühlerer Wind, na und? Erst als ich ins Büro trat, vermisste ich etwas. Ich erwartete diesen Schwall von warmer Luft, der einem umhüllt, sobald man im Winter ein Gebäude betritt und der einem dazu veranlasst, sofort den warmen Mantel auszuziehen. Ich wartete, doch nichts dergleichen geschah. Erst jetzt realisierte ich, dass wir über keinerlei Heizkörper verfügten und durch die zahlreichen Öffnungen und Ritzen unserer Bürowände strömte eiskalte Luft herein.
Der Situation gemäss hatten meine Kollegen ihre Jacken gar nicht erst ausgezogen. Sie trugen Handschuhe, welche die Fingerspitzen freiliessen, damit sie die Tastatur bedienen konnten. Regelmässig hauchten sie die Finger an, damit diese nicht einfroren. Die Hysterie ihrer schweizer Importkollegin, welche wegen ein paar Grad weniger ganz aus dem Häuschen war, konnten sie nicht verstehen. War es in der Schweiz nicht noch viel kälter als hier? Stattdessen wunderten sie sich ob meiner leichten Garderobe. War es doch selbstverständlich, dass man im Winter mindestens zwei Pullover plus Jacke anzog, damit man im Haus nicht friere.
Das Phänomen zeigte sich nicht nur bei mir im Büro. Überall beobachtete ich, wie die Leute drinnen wie draussen gleich angezogen waren. Der Supermarktkassierer trug Mütze und Schal, der Bäcker hatte Handschuhe an und die Ticketverkäuferin der U-Bahn war derart vermummt, dass man kaum ihr Gesicht sehen konnte.
Ich hatte ausgelacht. Stattdessen wurde umso mehr über mich gelacht, als ich panikartig die getürmten Elektroheizer im Supermarkt ansteuerte und tüchtig zugriff. Als ich meinen Büroplatz in eine wohlig warme Oase verwandelte, konnten die anderen nur den Kopf schütteln. Wer hätte gedacht, dass die chica aus dem Heidiland wegen dem bisschen Kälte solch ein Drama veranstaltet?
Vielleicht waren wir Schweizer einfach zu wenig abgehärtet. Oder vielleicht hat folgende Eigenschaft, die man den Latinos nachsagt, damit zu tun:
In Mexikos Adern fliesst heisses Blut,
den Schweizern das nicht schaden tut.
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