Dienstag, 9. September 2008

Samstag Abend

FERNANDO: Also fragte ich sie abermals: wie gut sehen die Mädchen nun wirklich aus?? sie wollte einfach nicht rausrücken, versteht ihr? Sehen sie gut aus oder nicht?? Weshalb sollte ich ihr Jorge vorstellen, wenn ich nichts dafür kriege?
FLURINA: Was wollte sie denn?
FERNANDO: Aaach, diese Tussi von der Uni wollte unbedingt, dass ich ihr Jorge vorstelle. Mann, bin ich blöd, wenn sie mir dafür nur diese hässlichen Exemplare liefert?
FLURINA: Und hast du sie schliesslich angesprochen, Jorge?
JORGE: Nun ähh, nein, also, ich war zu beschäftigt....
FERNANDO II: ...mit seinen anderen Freundinnen, HAHAHAHA
JORGE: Also, jetzt hört aber auf, ich bin wirklich sehr treu!!
FLURINA: zu allen deinen Freundinnen?
JORGE: So ist es! Ich bin allen gleichzeitig sehr treu! Oh - seid still, da ruft mich eine an!
FERNANDO II: welche ist es?
JORGE: SchschschT
JORGE: Aha, und wie lange seid ihr noch am Essen? Danach, kommt doch zu uns rüber!
FERNANDOII: Spitze!
FERNANDO: Klasse!
JORGE: Sie sagt, sie sind zu sechst!
FERNANDO: Ey, das passt super! wir sind 4, das wird eine Party!
JORGE: Nun, nicht wirklich, zwei davon sind ihre Schwester und deren Alte!
SAID: Bring bloss keine Lesben zu uns!
FERNANDO: Seht zu, welche Mädchen wir sonst noch aufbieten können!
FERNANDO II: Seid leise, bei mir klingelts!
JORGE: Ay, dein heisses date von gestern? Wie ist es gelaufen?
FERNANDO II: naja...ganz gut, ich habe sie nach Hause gefahren....aber eben sagt sie mir, dass sie zu müde ist, weil wir gestern so lange aus waren...
FLURINA: sie lügt, Junge!
FERNANDO II: Na ja, sie ist müde...
FLURINA: Vergiss es! Als Frau versichere ich dir: pure Ausrede!
FERNANDO: Also, wer kommt denn jetzt noch in Frage? kommt Jungs, denkt schon!
JORGE: Wartet, eben ruft sie mich zurück!
SAID: Ich will aber keine Lesben!
JORGE: Inzwischen seien sie fertig mit dem Essen. Sie sagt, ihre Schwester komme zwar mit, aber sie lasse ihre Freundin zu Hause?
FERNANDO II: Klasse
FERNANDO: Geschafft!
FLURINA: Wartet, nun habt ihr den ganzen Abend herumtelefoniert und alles, was ihr mir bieten könnt, ist eine lesbische Schwester...?

Mittwoch, 3. September 2008

Artikel für Uni Zeitung Scroggin, Sept 08




Einstieg ins Völkerrecht

Studierende des Völkerrechts werden bereits gemerkt haben, dass der Horizont dieses Gebiets bis ins Unendliche reicht. Gemäss diesen Umrissen muss man den eigenen Horizont ausdehnen, wenn man sich für eine Spezialisierung im Völkerrecht interessiert. Ich umgehe ganz bewusst den Terminus Karriere im Völkerrecht, da jener Ausdruck in Verbindung mit der Materie des Völkerrechts etwas fraglich klingt, sollte eine Position im komfortablen Lehnstuhl im 20. Stock des New Yorker UNO Gebäudes doch nicht das primäre Ziel sein. Gegenstand des Völkerrechts sind Phänomene wie extreme Armut, bewaffnete Konflikte, Lebensmittelknappheit, Straflosigkeit und unzählige weitere Elendsfaktoren, von denen man nicht erwarten sollte, dass sie einem reich machen.
Die ersten Schritte
Genausowenig darf man annehmen, dass man über diese Punkte Bescheid weiss, und hat man auch noch so viele Bücher und Dokumentarfilme verschlungen. Wobei wir bereits beim ersten Punkt der Horizontausdehnung wären. Dem Aufruf nach Erfahrung am eigenen Leib. Arbeitgeber im Völkerrecht verlangen Erfahrung im Gebiet und das auch von frischen Studienabgängern. Sie haben eine grosse Auswahl an Kandidaten und viele davon werden während des Studiums Erfahrung gesammelt haben. Das Opfern eines Semesters oder der Semesterferien für diesen Zweck zahlt sich folglich allemal aus. Die gute Nachricht ist, dass es unzählige Möglichkeiten gibt, sich diese anzueignen. So bieten die meisten internationalen Organisationen in Genf Internships für Studenten an. Leider ist ein solches nicht nur für Schweizer interessant, sondern für (äusserst qualifizierte) Kandidaten aus der ganzen Welt. Doch auch weniger populäre Organisationen als jene der UNO bieten Praktika an. Und es schadet nie, über die Landesgrenzen hinauszuschauen. Weshalb nicht ein Praktikum in Brüssel, Wien oder Madrid? Die Sprachbarriere sollte dabei nicht zu sehr abschrecken, man muss sich ab nun ohnehin darauf einstellen, in mehreren Sprachen zu arbeiten. Sehr wertvoll für den Lebenslauf, aber auch für die persönliche Entwicklung sind Praktika in tatsächlichen Entwicklungsländern. Ob Nigeria, Indien oder Honduras; nichts ersetzt die Erfahrung, mit den Entwicklungsproblemen direkt konfrontiert zu werden. Zahlreiche dafür spezialisierte Anbieter vermitteln Praktika, wobei hier mit einem kritischen Auge ausgewählt werden muss, denn nicht nur reichen die Angebote vom seriösen Praktikum über Abenteuertrip bis hin zu Gruppenferien mit ein paar Stunden Praxis, sondern werden nicht selten horrende Vermittlungsgebühren verlangt. Eine intensive Suche nach fairen Konditionen ist empfohlen. Obwohl etwas abenteuerlich, ist die individuelle Suche nach Praktikaanbieter durchaus möglich. Im Internet finden sich Listen von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen nach Ländern, die man systematisch abklappern kann. Etwas Ausdauer und Hartnäckigkeit ist dabei geboten, denn auf ein Mail wird leider selten geantwortet. Ein guter Zeitpunkt, sich jetzt Skype herunterzuladen, welches auch im zukünftigen Arbeitsalltag ein enger Begleiter sein wird.
Das Gewohnte entlernen
Bei der Suche nach einem Praktikum wird zwangsläufig eine weitere Horizontwerweiterung notwendig, welche auf die Erkenntnis folgt, dass die ganze restliche Welt (leider) anders funktioniert als die Schweiz. Am meisten ernüchtern dürfte die Tatsache, dass beihnahe sämtliche Praktika unbezahlt sind; dass man also nicht nur nicht entlöhnt wird, sondern zusätzliche finanzielle Mittel für Unterkunft, Transport etc benötigt. Doch auch wenn man im Vorfeld drei langweiligen Studentenjobs gleichzeitig nachgehen muss, um dieses Vorhaben zu finanzieren, lohnt sich der Aufwand dreifach, da er nicht nur die Türen zu human resources in der Zukunft öffnen wird, sondern auch den nötigen Sockel an Erfahrung erstellt und die Entscheidung erleichtert, ob der Sektor Völkerrecht tatsächlich das Wunschgebiet ist. Der Lebenslauf muss auf internationale Verhältnisse umgeschrieben werden. Am besten dazu einen Musterlebenslauf der EU downloaden und in den entsprechenden Ländersprachen ausfüllen. Man darf nicht erwarten, dass eine NGO in Ecuador den CV auf englisch liest. Beinahe überflüssig bleibt der Rat, dass man bei Bewerbung und Praktikum keine schweizer Verhältnisse erwarten darf und immer im Hinterkopf behalten muss, dass global gesehen, unsere Einstellung in der Schweiz die Ausnahme ist, nicht umgekehrt. So wird man auf NGOs treffen, die einem zusagen, sich danach aber nicht mehr melden, solche, die keine Arbeit für ein Praktikum vorbereitet haben oder überhaupt vergessen haben, dass man heute ankommt. Die Behausung ist je nach Ort dürftig, Wasser gibt es nur stundenweise pro Tag, von der Qualität ganz zu schweigen und die Toilette hat keine Spühlfunktion. Schliesslich muss man sich darauf einstellen, mit höherer Kriminalität konfrontiert zu werden, also niemandem zu trauen, kein Bargeld spazieren zu führen und keine Ringe zu tragen, sofern man auf seine Finger Wert legt.
Mein erster Job
Dies alles zeigt schon: Völkerrecht ist nichts für Weicheier. Bei Bewerbungsgesprächen und Assessments versucht man jedoch, vor allem Frauen auf solche zu reduzieren. Wobei wir beim eigentlichen Jobeinstieg sind. Das Motto, dass man bei einer Bewerbung vermitteln sollte, lautet; tough, aber menschlich, denn aus eigener Erfahrung kann ich versichern, dass es die Möglichkeiten gleichwohl schmälert, wenn man ausschliesslich auf Furchtlos macht. Hat man die Suche nach einem Praktikum als Herausforderung empfunden, so kommt man bei der Arbeitssuche nach Studiumsabschluss erneut auf die Welt. (Ausgeschriebene) Stellen sind rar, Bewerber gibt es zu Haufen und die Anforderungen sind hoch. Das DEZA als einer der populärsten Anbieter von Praktika/ Traineeships für Studienabgänger schreibt nur alle anderthalb Jahre aus. Fantasie ist somit erneut gefragt. Wer also gedacht hat, nur in seinem Studentenpraktikum untendurch zu müssen, hat sich geschnitten. Weitere Jahre Erfahrungen müssen erarbeitet werden, bis man auf dem Völkerrechtsparkett überhaupt beachtet wird und dabei darf man nicht wählerisch sein. Viel Geduld und Einfallsreichtum sind daher Eigenschaften, die man sich besser früher als spät zulegt. Ein tiefer Lohn darf nicht abschrecken, denn ein solcher ist nun mal das Los von Völkerrechtsfrischlingen. Ein kleiner Trost besteht darin, dass man sich dadurch besser in die Bevölkerungsgruppen hineindenken kann, mit denen man arbeitet, ihre Sorgen nachvollziehen kann und eine weitere unbezahlbare Erfahrung macht.
Hat man schon vorher über die Schweizer Grenzen hinausgespäht, so kann man hier anknüpfen, Kontakte aus Zeiten des Praktikums auffrischen und neue knüpfen. In die Pflege von professionellen Beziehungen sollte ebenso investiert werden, wie in das à-jour-halten der internationalen Situation und des eigenen Verständnisses dafür. Nicht selten wird man bei Vorstellungsterminen auf dieses Wissen geprüft.
Die familiäre Situation leidet nicht selten durch den Entschluss der Spezialisierung im international law. Nicht mit den internationalen Arbeitsbedingungen vertraut, kommt oft kein Verständis von Seiten der Familie und Freunden für den unterbezahlten Job ohne Managementaussicht. Die Beziehung zum Liebsten dürfte noch mehr leiden, muss man sich nicht selten geographisch verschieben und kann sich kaum leisten, einen Partner mitdurchzubringen. Der Traumjob fordert also seine Opfer. Dafür kann man vielleicht mit seiner Arbeit woanders ein paar vermeiden.


Links:
http://www.idealist.org/
www.devdir.org
http://www.un.org/

Flurinas Rede im Europarat, Strasbourg, Juli 08

Encouragement to return to work in Mexico

I work for a Mexican NGO that is based in Mexico City and works in the improvement of the life circumstances of youngsters of 15 to 25 years of age.
I will come back to the work of my organization later. First I like to speak about Mexico in general, because this is the actual reason why I wanted to reach the international NGO conference: the encouragement to return to collaborate with Mexican development and human rights organizations.

Mexico is a country of enormous differences. Of which its most significant difference is the gap between wealth and poverty. International sources say that half of of Mexico’s population live in moderate poverty. A fifth of the population lives in extreme poverty. When I mention the word poverty than you must know that the words “poor”, “middle class” and “upper middle class” are always relative. A family with two children that is put in the category “middle class” in Mexico City often lives in a one ore two bedroom apartment and has a monthly allowance of less than 400 Euros. They are very lucky when they can afford a higher education for their children. So what I want to tell you is that in western European standards, we would also call these kind of middle class “poverty” which would result in to a much higher percentage of 70 or 80 percent poverty in Mexico.

The development of the past years that has come into European newspapers as “rise of the Mexican economy” does give a false impression to us Europeans. This so called improvement of the market leads to the benefit of maybe 10% of upper class. All the rest of the population does not see any improvement or change of their live situation what so ever.

In this sense, the rise of Mexico’s economy is a disadvantage for its inhabitant, you could also say: it is a curse, because in the meaning that Mexico is a more developed country than its southern neighbors, development founds of the UN, of western countries and development organization have got less or have been stopped permanently.
The consequences of this cut of aid are very severe. Mexican NGOs that have development projects hardly find European founds and run out of money. Money which is dearly needed, because especially in the poor rural areas where all the population lives in extreme poverty and human rights are not respected, the circumstances of their lives are not different from the lives of the population of Central America, where western countries concentrate their work.

As you know, Mexico has always been faced a major migration problem. Every migrant from Central America arrives in Mexico on their very dangerous journey north and also a huge quantity of Mexicans head north every year because they have no future in their own country. That fact has not changed with the so called improvement of Mexican economy.

By cutting the aid for Mexico, no improvement of live circumstances can be reached and the percentage of Mexicans that migrate towards north will not get less. Only by improving live circumstances by giving funds to Mexican NGOs, this phenomenon of migration can get changed.

I want to talk briefly of the work of my NGO INICIA, as an example of Mexican and Central American development work.
INICIA works in the human rights of youngsters of 15 to 25 years of age and in the improvement of their life situation. This age group of youngsters represent 30% of Mexicos population and 55% of its working inhabitants. Despite being a large demographic group, youngsters face existential problems:
They are permanently discriminated and disrespected. They often have to drop school to support their families. With or without education – their access to the professional life is extremely limited and when they find work, it often is under very poor circumstances and working laws are hardly complied. The unemployment rate of today’s youngsters is three times as high as of a generation before. The access of youngsters to a health system designed for their health problems like accidents, unwanted pregnancy, sexually transmitted diseases, drug addiction etc is very limited.Youngsters suffer exclusion of deciding processes about their own life as they are hardly represented in politics or public institutions because one does not let them enter in this institutions. This results in non compliance of juvenile law and non execution of juvenile programs.

It is mostly youngsters that decide to migrate to the United States to find better life there. The journey north is very dangerous. Near the frontiers there are many gangs that rob and often kill migrants that want to cross the border illegally. Once crossed the border, the desert of Texas or Arizona is deadly ground and often, migrants die few steps into the promised land. If migrants find work in the US, it also is under poor circumstances and badly paid.

In INICIA, we are working in networks of NGOs that work with youngsters in all Mexico and Central America.
We have projects in Violence prevention connected with the promotion of juvenile development that we initiate together with Honduras and Guatemala.
A Central America project of the promotion of strategies of the compliance of juvenile rights. We work in a network together with organizations in Honduras, Nicaragua, Panamá, Costa Rica, El Salvador, Guatemala and Mexico.
We have a project in the Mexican state of Chiapas where we work in workers rights of the population and include employers in the education of dignified work with the goal to minimize the migration movement in this area.
Our strategies include direct actions with youngsters, programs of learning and enforcement, creation of alliances with juvenile organizations, private and public institutions and studies and investigation over a long period of time.

Like us, there are other Mexican NGOs that have to struggle finding badly needed funds to improve circumstances of a very poor population. I would like to encourage you to think about your strategy and return to Mexico.

Sihltaler Texte





Reisegeschichte

Man würde ja meinen, man lasse die Gefahr hinter sich, wenn man vom Flughafen Mexico City abhebt. Die ganze Verschmutzung, die Kriminalität, all die unbeleuchteten Trottoirs: ich war mir sicher, ich würde mit dem Flug Richtung Heimat sicheres Territorium anstreben.
Tatsächlich aber fand ich mich nur wenige Stunden später eingesperrt in einem Zimmer. Um mich herum sassen Leute aller Herkunft und fürchteten genauso wie ich das Schlimmste. Und ebenso wie ich brüteten sie wahrscheinlich über der selben Frage: warum in aller Welt musste ich via USA fliegen?
Nun würde ich zwar auf meinem Weiterflug in die Schweiz zwischen 15 Filmkanälen auswählen können, aber würde ich diesen Flug überhaupt erreichen? Die zwei Beamten, die für die nähere Untersuchung von uns eingesperrten zuständig waren, guckten immer wieder mit eisernem Blick hinter ihren Bildschirmen hervor, um in unserer Gruppe wohl ein verdächtig verhaltendes Individuum auszumachen.
Fast wäre ich der Prozedur entgangen. Schon wurde ich durchgewinkt, da rannte mir die Zöllnerin nach und pfiff mich zurück mit der schwammigen Begründung, dass etwas mit meinem Fingerabdruck nicht stimmte. Es stellte sich heraus, dass mein Fingerabdruck gegenüber dem letzten USA Besuch eine veränderte Strucktur aufzeigte, weil ich tags zuvor einen Haufen Geschirr gewaschen hatte. Als ich endlich entlassen wurde, konnte ich nur durch eine sportliche Höchstleistung verhindern, dass mir der Anschlussflug entwischte.
Eine Entschädigung für mein Erlittenes fand ich beim Auspacken in meinem Koffer in Form von Gegenständen aus dem Gepäck eines Mexikaners, dessen Koffer wohl während der Inspektion neben meinem gelegen hatte. Oder war dies die Entschädigung dafür, dass auch aus meinem Koffer das Nécessaire verschwunden war und nun von einem Mexikaner in seinem Koffer vorgefunden wurde? Ein trauriger Verlust. Zumal die gebräunten Mexikaner ja mit meiner hellbeigen Foundation gar nichts anfangen können.
Umso besser sollte ich mich für die Rückreise vorbereiten. Doch schon die schweizer Angestellten der Airline am Check-in Schalter konfrontierten mich mit der ersten Überraschung. Sie wohnen wohl in Mexico, was? Fragte man mich äusserst kritisch. Weshalb ist dann hier kein Visum in ihrem Pass? Durch meine Antwort zwar nicht befriedigt, liess man mich immerhin ausfliegen.
Natürlich hatte ich schon Tage vor dem Abflug genauestens aufgepasst, dass meine Hände am Tag vor Abflug mit keinem Tropfen Wasser in Berührung kamen. Dummerweise stellte sich dies als genau die falsche Methode heraus, da die Amerikaner inzwischen meinen verschrumpelten Abdruck im PC hatten und mich abermals in ihre Folterkammer schickten.
Ich war gottenfroh als ich Stunden später endlich wieder auf mexikanischem Boden landete. Von allen Zöllnern meiner Reise war die dortige Beamtin scheinbar am frohsten, mich zu empfangen.











Wisch-Mädchen

Den meisten Schweizer Reisenden fällt in Lateinamerika als erstes die prekäre Müllsituation auf. Pet-Flaschen liegen am Strassenrand, Scherben pflastern die Trottoirs und Plasticksäckchen werden vom Wind bis in die Baumwipfel geblasen.
Man könnte meinen, dass Latinos eine höhere Reizgrenze für Schmutz haben, die Situation weniger tragisch sehen als wir oder vielleicht sogar Schmutz- und Müllresistent sind.
Tatsächlich habe ich die Mexikaner als höchst reinliche, ja putzfanatische Zeitgenossen kennen gelernt. Sie tragen stets frische Kleidung, waschen einmal pro Woche ihr Auto und wischen mehrmals täglich ihren Vorplatz. Eigentlich ist Wischen ein regelrechtes Hobby der Mexikaner. Anlass dafür ist in der Stadt ja nicht rar: Der Wind wirbelt Staub auf und dürre Blätter auf den Gehweg, derRegen schwemmt Dreck an und viele unachtsame Passanten werfen einem den Müll vor die Haustüre.
Zur Verteidigung eben Genannter muss ich anfügen, dass selbst in der Stadt ein öffentlicher Mülleimer schwieriger zu finden ist als ein geflügeltes Pferd. Die Abfallpolitik der Stadt steht im strengen Gegensatz zum Sauberkeitsbewusstsein ihrer Einwohner. Hätte die Stadt dieselbe Putzdisziplin wie ihre Bewohner, würde sie vor Reinheit geradezu blitzen.
Stadt dessen transportieren die Müllautos den Dreck nur bis kurz vor die Stadt, wo er als stinkender Berg dahinmodert. Aus eigenem Augenschein weiss ich das zwar nicht, denn in diese „Abfallzone“ wird niemand hereingelassen, der nicht dort wohnhaft ist. Zu gross ist die Angst, ein Medienschaffender könnte sich einschleichen und über die verheerenden Zustände berichten.
Höchste Zeit also, dass jemand reinlicher das Abfalldepartement der Stadt übernimmt. Sehr gut geeignet wären da einige meiner Nachbarinnen, die mit ihrem Putzeifer selbst meinen genetischen Schweizer Sauberkeitsfimmel übertreffen. So werde ich morgens vom Geräusch des Besens geweckt und werde nachts damit in den Schlaf gewischt. Da die Wischmädchen öfters zu Hause sind als ich, komme ich erst gar nicht dazu, meinen Vorplatz zu wischen, weil dieser während des Tages von der Nachbarin links und jener rechts gleich mitgewischt wird.
Auch nach jedem Regenguss wird gewischt. Meistens werde ich durch das allgemeine Wischgeräusch darauf aufmerksam gemacht, dass der Regen nachgelassen hat. Doch auch ohne Regen wird mindestens einmal täglich nass aufgewischt. Auf der Strasse läuft man deshalb Gefahr, von einem eifrigen Ladeninhaber abgespritzt zu werden, weil er gerade den Eingang staubfrei waschen will.
So sind Mexikaner geradezu vorbildlich im Ausfegen. Bleibt zu hoffen, dass sie dies eines Tages auch mit der Politik tun können.






10 pesos le cuesta

Zweifelsohne ist die Metro in Mexico City besser als jedes andere Verkehrsmittel. Keine Verkehrslichter, keine Staus oder Absperrungen behindern ihre Fahrt. Wählt man die Metro, um ans andere Ende der Stadt zu kommen, so wird die 20 Millionen-Stadt mit 40 Minuten derart rasch durchquert, dass man sich im 7ni Tram nach Stettbach wähnt.
Mit zweiminütiger Frequenz treffen die Züge ein, öffnen für 30 Sekunden ihre Türen, um die Fahrt schnellstmöglichst wieder aufzunehmen. Das Tempo wird derart beschleunigt, dass man regelmässig über die ganze Sitzbank rutscht, bis man sich mit den anderen Passagieren am Ende der Bank auf einem Haufen wieder findet.
Doch die Metro ist nicht blosses Transportmittel, denn. einfallsreiche Arbeitslose haben die U-Bahn als kaufkräftigen Marktplatz entdeckt und preisen in Massen ihre Waren an. Am verbreitetsten sind selbstgebrannte CDs, auf denen jeweils Musik zu einem Thema zusammengestellt ist. Eine Kostprobe der angepriesenen Soundträgern dröhnt aus gewöhnlich viel zu laut aufgedrehten Lautsprechern, welcher der Händler mit sich trägt.
Daneben wird von Süssigkeiten über Taschentücher bis zu spirituellen Lebensratgebern alles angeboten, was in eine Handtasche passt. Kaum ist ein Händler mit Halspastillen an einem vorbeigezogen, folgt der nächste mit Kugelschreibern. Für jeden Geschmak ist etwas dabei, man muss nur zugreifen und somit präsentiert sich jeder Metrozug als gewaltige, 30 Meter lange Sushi-Bar.
Ich selber, immer bemüht, mich an die mexikanische Lebensweise anzupassen, reihe mich selbstverständlich mit ein in die kaufkräftige Kundenschaar der Metrohändler. Den Piraten-CDs traue ich nicht richtig; erst vor ein paar Tagen hatte ich eine gebrannte Dokumentations-DVD über Mexiko erstanden, die dann aber nicht abgespielt werden konnte. Bei Frauenmagazinen hatte ich auch einst zugegriffen, bis ich merkte, dass es sich um die Ausgabe vom vergangenen Monat handelte. Seither beschränke ich mich darauf, Taschentücher im Dreierpack zu erstehen. Entscheidet man sich, etwas zu kaufen, so muss man schnell handeln. Nur Sekunden verweilen sie auf der selben Stelle, oft nur solange, bis sie ihr Produkt feilgeboten und den Preis ausgerufen haben: „10 Pesos kostets, 10 Pesos, Herrschaften“. Seltsamerweise kosten die meisten Waren 10 Pesos, was ungefähr dem Betrag gleichkommt, welcher der metroreisende Mexikaner in der Jackentasche mitträgt. Und dort sollte man das Geld auch herauskramen, denn bis man das Portemonnaie aus der Tasche gegraben hat, ist der Händler bereits im übernächsten Wagen. Wechseln ist auch keine Stärke der Metroverkäufer. Hat man das Münz nicht korrekt, so ist der Deal geplatzt.
Und so wird jede Fahrt in der Metro zum kribbelnden Erlebnis. Hätte man beim Einsteigen gedacht, dass man mit dem spanischen Heidi-Film wieder aussteigt?
















Familienbande
In unseren Kindertagen bescherte es uns Stunden des Grübelns: das Geheimnis, wie Mary Poppins den zwei Meter hohen Kleiderständer aus der kleinen Tasche zaubern konnte.

Ähnlich verblüfft war ich, als ich bei meiner Freundin Ana zum Brunch eingeladen war. Kamen dort doch derart viele Leute verschlafen aus den oberen Stockwerken, dass ich mich fragte, ob sie wohl im Schichtbetrieb geruht hatten. In einer unachtsamen Minute hatte mir die kleine Nichte meinen Saft ausgetrunken und mehrere Verwandte bedienten sich ungefragt an unserem Kuchen. Die Kinder spielten Fangen um den Tisch herum und der Vater belehrte mich über dem Essen über die historische Entwicklung der mexikanischen Politik. Ich musste an die Ausnahmesituationen bei mir zu Hause denken, wenn lediglich meine Grosseltern bei uns übernachteten.
Ich wuchs in einem Haus auf, dass für eine Familie mit einem Kind konstruiert war. Der Architekt hätte hierzulande wohl kaum Anstellungschancen. Nicht nur, dass die Einkindfamilie hierzulande wohl so selten ist wie natürliches Blond; wohnen doch mindestens noch die vorherige und die nachfolgende Generation unter demselben Dach. Dementsprechend muss der Wohnraum geschickt unterteilt sein, denn volumenmässig unterscheidet sich das mexikanische Multigenerationenheim kaum vom Dreinasenhaus meiner Kindheit.
Acht Personen unter einem Dach und alle lebten in friedlicher Koexistenz. Die Eltern respektierten ihre erwachsenen Kinder, sorgten sich um die Enkelkinder und für die Unterhaltung hatten die Grosseltern stets die passende Geschichte aus ihrer Jugendzeit parat. Ausser den Familienmitgliedern gingen täglich natürlich ein Haufen zusätzlicher Leute ein und aus. Onkel, Schwägerinnen, Schulfreunde und bereits Ausgezogene werden im Mexikanischen Haushalt zu jeder Uhrzeit gerne empfangen und nach Möglichkeit sogleich verköstigt. Ein idyllisches Bild, dass die warmherzigen Mexikaner Realität werden liessen.

Mein romantisches Bild sollte nicht lange wahren; äusserten sich doch die Frühstücksgäste, dass sie von der europäischen Tradition gehört hatten, man würde drüben mitte Zwanzig ausziehen. Ich wollte schon meine Heimatkultur verteitigen, als mir in verzweifelter Sehnsucht die ideale Wohnsituation entgegengeschnellt wurde: Im Chor schwärmten sie mir von einem unabhängigen Leben vor, was ihnen jedoch fast verunmöglicht wurde, würde ein Auszug aus dem Elternhaus nämlich auf totales Unverständnis Seitens der Familie stossen, ja ein regelrechtes Familiendrama auslösen. Die Mutter hätte versagt, die Grossmutter hätte keinen Zuhörer mehr und die Enkel keinen Spielkamaraden. Die einzige Möglichkeit, der Familienkommune zu entrinnen sei es, in eine andere Stadt zu ziehen.
Eine andere Stadt. Oder gar ein anderes Land? Eins ist gewiss. Auch dort ist man vom Einfluss der Familie nicht verschont – sei es als Mexikaner oder als Schweizer.
Provecho!

“Flurina, du hältst deine Tortilla verkehrt rum.“ Ich wurde stutzig. Wollten die Kollegen mich wieder mal hochnehmen? Wie konnte ich diesen Kreis verkehrt halten? „Du hältst die falsche Seite nach oben“, erklärten sie mir. Ich war immer noch nicht sicher, ob ich das Ganze Ernst nehmen sollte. „Ihr wollt mir also sagen, dass eine Tortilla zwei verschiendene Seiten hat?“
Mexiko und Essen kann man nicht trennen. Den Mexikaner verbindet eine aufrichtige Liebe zu seinen Tortillagerichten, seinen Eintöpfen, seinen Frühstückspatten und unzähligen Chilesorten.
Die Tortilla stellt die Drehscheibe im mexikanischen Mahl dar. Ist sie nicht bereits integrierter Teil des Gerichts, so wird sie separat serviert – frisch geröstet versteht sich. Man zerkleinert infolge die Nahrungsmittel auf seinem Teller, verteilt sie auf der Tortilla, tröpfelt Salsa darüber und rollt das Ganze gekonnt zum essfertigem Paket. Die Herausforderung besteht im Verschlingen seiner Tortillarolle ohne zu viel Füllung hinauszukleckern zu lassen. Gebürtige Mexikaner lernen dies in ihren Kindertagen, während eingewanderte Schweizerinnen diese Kunst nur durch viel Disziplin und tägliche Übung erlangen.
Suppe darf bei keinem Mahl fehlen, was wohl erklärt, weshalb die Mexikaner so viele Ausdrücke für Suppe kennen. Auch in den 40 Grad warmen Tropen bekam ich damals heisse Suppe serviert. Meine Schweissdrüsen haben sich heute noch nicht davon erhohlt. Dagegen fehlt Salat gänzlich im klassischen mexikanischen Dreigänger. Überhaupt halten die Mexikaner nicht viel von Gemüse auf ihrer Tafel. Bohnen heisst die Antwort auf den Wunsch nach pflanzlicher Nahrung; gedünstet oder als Mus gehören sie zur täglichen Kost und sind wohl für den gesunden Toillettengang ihrer Konsumenten verantwortlich.
Reis als zweite Vorspeise habe ich nach dem zweiten Mal abgeklemmt. Allen Anpassungsbemühungen zum Trotz, ich kann mich nicht täglich mit Reis vollstopfen. Wenn schon das Gemüse fehlt, muss man sich durch gewissen Verzicht Fit halten.
Die Hauptspeise präsentiert sich – nebst Bohnen – aus Fleisch und dem eigentlichen Hauptakteur: der Sauce. Aus langweiligen Hühnerfonds zaubern mexikanische Köchinnen dank Chile und Kräutern die köstlichsten Tunken. Die Königin der Saucen ist jedoch die rote Mole. Weshalb man sie „rote“ nennt, obwohl sie pechschwarz daherkommt, konnte mir bisher noch niemand entlüften. Mole, das ist mehr als nur dickflüssige Beilage, Mole, das ist ein Gedicht. In stundenlanger Prozedur wird aus Schokolade, gerösteten Nüssen, Chile und unzähligen weiteren Zutaten eine scharfsüsse Köstlichkeit kreiert, die auch den skeptischen Koster im Sturm erobern wird. Mole kann ich hiermit jedem empfehlen, der möglichst schnell über seinen Liebesschmerz hinwegkommen will.

Das Ergebnis meiner Tortillauntersuchung kann ich hier übrigens nicht verraten. Sollte das Mysterium doch durch jeden selber entlüftet werden.