Mittwoch, 3. September 2008

Artikel für Uni Zeitung Scroggin, Sept 08




Einstieg ins Völkerrecht

Studierende des Völkerrechts werden bereits gemerkt haben, dass der Horizont dieses Gebiets bis ins Unendliche reicht. Gemäss diesen Umrissen muss man den eigenen Horizont ausdehnen, wenn man sich für eine Spezialisierung im Völkerrecht interessiert. Ich umgehe ganz bewusst den Terminus Karriere im Völkerrecht, da jener Ausdruck in Verbindung mit der Materie des Völkerrechts etwas fraglich klingt, sollte eine Position im komfortablen Lehnstuhl im 20. Stock des New Yorker UNO Gebäudes doch nicht das primäre Ziel sein. Gegenstand des Völkerrechts sind Phänomene wie extreme Armut, bewaffnete Konflikte, Lebensmittelknappheit, Straflosigkeit und unzählige weitere Elendsfaktoren, von denen man nicht erwarten sollte, dass sie einem reich machen.
Die ersten Schritte
Genausowenig darf man annehmen, dass man über diese Punkte Bescheid weiss, und hat man auch noch so viele Bücher und Dokumentarfilme verschlungen. Wobei wir bereits beim ersten Punkt der Horizontausdehnung wären. Dem Aufruf nach Erfahrung am eigenen Leib. Arbeitgeber im Völkerrecht verlangen Erfahrung im Gebiet und das auch von frischen Studienabgängern. Sie haben eine grosse Auswahl an Kandidaten und viele davon werden während des Studiums Erfahrung gesammelt haben. Das Opfern eines Semesters oder der Semesterferien für diesen Zweck zahlt sich folglich allemal aus. Die gute Nachricht ist, dass es unzählige Möglichkeiten gibt, sich diese anzueignen. So bieten die meisten internationalen Organisationen in Genf Internships für Studenten an. Leider ist ein solches nicht nur für Schweizer interessant, sondern für (äusserst qualifizierte) Kandidaten aus der ganzen Welt. Doch auch weniger populäre Organisationen als jene der UNO bieten Praktika an. Und es schadet nie, über die Landesgrenzen hinauszuschauen. Weshalb nicht ein Praktikum in Brüssel, Wien oder Madrid? Die Sprachbarriere sollte dabei nicht zu sehr abschrecken, man muss sich ab nun ohnehin darauf einstellen, in mehreren Sprachen zu arbeiten. Sehr wertvoll für den Lebenslauf, aber auch für die persönliche Entwicklung sind Praktika in tatsächlichen Entwicklungsländern. Ob Nigeria, Indien oder Honduras; nichts ersetzt die Erfahrung, mit den Entwicklungsproblemen direkt konfrontiert zu werden. Zahlreiche dafür spezialisierte Anbieter vermitteln Praktika, wobei hier mit einem kritischen Auge ausgewählt werden muss, denn nicht nur reichen die Angebote vom seriösen Praktikum über Abenteuertrip bis hin zu Gruppenferien mit ein paar Stunden Praxis, sondern werden nicht selten horrende Vermittlungsgebühren verlangt. Eine intensive Suche nach fairen Konditionen ist empfohlen. Obwohl etwas abenteuerlich, ist die individuelle Suche nach Praktikaanbieter durchaus möglich. Im Internet finden sich Listen von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen nach Ländern, die man systematisch abklappern kann. Etwas Ausdauer und Hartnäckigkeit ist dabei geboten, denn auf ein Mail wird leider selten geantwortet. Ein guter Zeitpunkt, sich jetzt Skype herunterzuladen, welches auch im zukünftigen Arbeitsalltag ein enger Begleiter sein wird.
Das Gewohnte entlernen
Bei der Suche nach einem Praktikum wird zwangsläufig eine weitere Horizontwerweiterung notwendig, welche auf die Erkenntnis folgt, dass die ganze restliche Welt (leider) anders funktioniert als die Schweiz. Am meisten ernüchtern dürfte die Tatsache, dass beihnahe sämtliche Praktika unbezahlt sind; dass man also nicht nur nicht entlöhnt wird, sondern zusätzliche finanzielle Mittel für Unterkunft, Transport etc benötigt. Doch auch wenn man im Vorfeld drei langweiligen Studentenjobs gleichzeitig nachgehen muss, um dieses Vorhaben zu finanzieren, lohnt sich der Aufwand dreifach, da er nicht nur die Türen zu human resources in der Zukunft öffnen wird, sondern auch den nötigen Sockel an Erfahrung erstellt und die Entscheidung erleichtert, ob der Sektor Völkerrecht tatsächlich das Wunschgebiet ist. Der Lebenslauf muss auf internationale Verhältnisse umgeschrieben werden. Am besten dazu einen Musterlebenslauf der EU downloaden und in den entsprechenden Ländersprachen ausfüllen. Man darf nicht erwarten, dass eine NGO in Ecuador den CV auf englisch liest. Beinahe überflüssig bleibt der Rat, dass man bei Bewerbung und Praktikum keine schweizer Verhältnisse erwarten darf und immer im Hinterkopf behalten muss, dass global gesehen, unsere Einstellung in der Schweiz die Ausnahme ist, nicht umgekehrt. So wird man auf NGOs treffen, die einem zusagen, sich danach aber nicht mehr melden, solche, die keine Arbeit für ein Praktikum vorbereitet haben oder überhaupt vergessen haben, dass man heute ankommt. Die Behausung ist je nach Ort dürftig, Wasser gibt es nur stundenweise pro Tag, von der Qualität ganz zu schweigen und die Toilette hat keine Spühlfunktion. Schliesslich muss man sich darauf einstellen, mit höherer Kriminalität konfrontiert zu werden, also niemandem zu trauen, kein Bargeld spazieren zu führen und keine Ringe zu tragen, sofern man auf seine Finger Wert legt.
Mein erster Job
Dies alles zeigt schon: Völkerrecht ist nichts für Weicheier. Bei Bewerbungsgesprächen und Assessments versucht man jedoch, vor allem Frauen auf solche zu reduzieren. Wobei wir beim eigentlichen Jobeinstieg sind. Das Motto, dass man bei einer Bewerbung vermitteln sollte, lautet; tough, aber menschlich, denn aus eigener Erfahrung kann ich versichern, dass es die Möglichkeiten gleichwohl schmälert, wenn man ausschliesslich auf Furchtlos macht. Hat man die Suche nach einem Praktikum als Herausforderung empfunden, so kommt man bei der Arbeitssuche nach Studiumsabschluss erneut auf die Welt. (Ausgeschriebene) Stellen sind rar, Bewerber gibt es zu Haufen und die Anforderungen sind hoch. Das DEZA als einer der populärsten Anbieter von Praktika/ Traineeships für Studienabgänger schreibt nur alle anderthalb Jahre aus. Fantasie ist somit erneut gefragt. Wer also gedacht hat, nur in seinem Studentenpraktikum untendurch zu müssen, hat sich geschnitten. Weitere Jahre Erfahrungen müssen erarbeitet werden, bis man auf dem Völkerrechtsparkett überhaupt beachtet wird und dabei darf man nicht wählerisch sein. Viel Geduld und Einfallsreichtum sind daher Eigenschaften, die man sich besser früher als spät zulegt. Ein tiefer Lohn darf nicht abschrecken, denn ein solcher ist nun mal das Los von Völkerrechtsfrischlingen. Ein kleiner Trost besteht darin, dass man sich dadurch besser in die Bevölkerungsgruppen hineindenken kann, mit denen man arbeitet, ihre Sorgen nachvollziehen kann und eine weitere unbezahlbare Erfahrung macht.
Hat man schon vorher über die Schweizer Grenzen hinausgespäht, so kann man hier anknüpfen, Kontakte aus Zeiten des Praktikums auffrischen und neue knüpfen. In die Pflege von professionellen Beziehungen sollte ebenso investiert werden, wie in das à-jour-halten der internationalen Situation und des eigenen Verständnisses dafür. Nicht selten wird man bei Vorstellungsterminen auf dieses Wissen geprüft.
Die familiäre Situation leidet nicht selten durch den Entschluss der Spezialisierung im international law. Nicht mit den internationalen Arbeitsbedingungen vertraut, kommt oft kein Verständis von Seiten der Familie und Freunden für den unterbezahlten Job ohne Managementaussicht. Die Beziehung zum Liebsten dürfte noch mehr leiden, muss man sich nicht selten geographisch verschieben und kann sich kaum leisten, einen Partner mitdurchzubringen. Der Traumjob fordert also seine Opfer. Dafür kann man vielleicht mit seiner Arbeit woanders ein paar vermeiden.


Links:
http://www.idealist.org/
www.devdir.org
http://www.un.org/

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