Montag, 26. November 2007

Tabasco im Sumpf


Tabasco wurde von Wochen von Überschwemmungen heimgesucht und hockt immer noch im Siff. Das Wasser geht nur langsam zurück. Und die Regenzeit ist noch lange nicht vorbei, immer wieder regnet es in den zu einem einzigen See gewordenen Staat hinein.


Gleich nach Ausbruch der Katastrophe machte der Präsident den Klimawandel für das Desaster verantwortlich. Ein geschickter Zug, weil er somit lästern kann, ohne eine andere Partei oder gar seine eigene zu beleidigen! Auch der Gouverneur von Tabasco hatte sich geäussert, wobei ich vergessen habe, was der gesagt hat. Fakt ist, dass alle beide versagt haben. Obwohl das Gebiet regelmässig von Überschwemmungen heimgesucht wird, bestand kein Evakuationsplan oder sonstige Massnahmen.



Reagiert wurde erst, nachdem den Leuten das Wasser bis zum Halse stand. Dies, nachdem es bereits eine Woche lang geregnet hatte und das Resultat abschätzbar war.
Zum Glück gibt es auch die andere Seite: Die grosse Solidarität der Mexikaner, wenn es darum geht, ihren Landsmannen zu helfen. Am ersten Wochendende der Überschwemmung ging ich mit meinem Rucksäckli voller Milchpulver und Thonbüchsen zum Roten Kreuz und sah, wie ganze Autoladungen voller Lebensmittel gespendet wurden. Viele Freiwillige hatten sich gemeldet, um die Sachen zu sortieren, verpacken und verladen und es herrschte ein hektisches Treiben (völlig unüblich für Mexico...). Während ich meine Föteli schoss, musste ich aufpassen, dass ich von den eifrigen Helfern nicht überrannt wurde...

Aufgrund der Unfähigkeit der Regierung sind die Überschwemmungsgebiete, in denen über 1 Mio Personen betroffen sind, auf Hilfe angewiesen. Falls jemand ein schlechtes Gewissen hat, weil er um Weihnachten nur kommerzielle spenden macht, hier ein netter Link.

Dienstag, 20. November 2007

Gringophobie

Text für Sihltaler vom 17.11.07

Ich merkte es an meinem ersten Arbeitstag in Mexico: das adjektiv “amerikanisch” wird in Mexico nicht gebraucht. Stattdessen wurde es irgendwann durch den Ausdruck gringo, ersetzt, welcher seither als ebenbürtiges Synonym verwendet wird, ausser in dem einzigen Fall, wenn man direkt mit einem Amerikaner spricht.

Wenn etwas gringo ist, dann immer im negativen Sinn. Noch nie sagte man mir: “Flurina, das ist aber sehr gringo,” um mich damit zu loben.

Nein, Mexikaner mögen ihre nördlichen Nachbarn nicht sonderlich und trotzdem zwingt sie die Armut, ausgerechnet dieses Land in Massen anzusteuern. Dies ist nicht die einzige Ironie in der Beziehung der beiden Länder. Ist Mexiko doch wirtschaftlich extrem von den “Gringos” abhängig und muss sich bemühen, eine gute Beziehung mit dem unbeliebten Nachbarn zu pflegen. Nicht nur bezüglich der Handelsbeziehungen sind die USA wichtigster Partner. Längst sind die Geldsendungen von den in den Staaten arbeitenden Mexikanern an ihre Familien zum zweitwichtigsten Einkommenszweig des Landes geworden.

Wer nun denkt, dies hätte ja keinen Einfluss auf eine eingewanderte Europäerin hat weit gefehlt.

So merken wir gar nicht, wie sehr die amerikanische Kultur sich tief in unseren Alltag eingeschlichen hat: “Shit!” entfiel es mir unbeabsichtigt als ich einst beim Essen kleckerte. “Was hast du eben gesagt?” kriegte ich unmittelbar zu hören. Ich zuckte zusammen, als hätte man mich gerade dabei ertappt, wie ich auf das Bild der heiligen Guadalupe spuckte. “Bitte vergebt mir”, stotterte ich noch mit vollem Mund, “ich werde den Gringoausruck nie mehr verwenden!” Jedes einzelne Wort englischen Ursprungs musste ich in der Folge aus meinem Vokabular streichen! Doch man kann dies nicht einfach ersatzlos tun, sondern muss für jeden eliminierten Ausdruck einen neuen, nichtenglischen, finden. Ersatz musste ich mir nicht nur für meine Gringoschimpfwörter aus der Nase ziehen, sondern auch für Gringoerstaunenswörter, Gringobestätigungswörter, Gringoeuphoriewörter, ganz zu schweigen von all den Gringoabkürzungen, die wir ständig gebrauchen.

Doch nicht nur meinen Alltagswortschatz musste ich komplett umwälzen – so gilt jegliche Annäherung an die angelsächsische Lebensweise bereits als Verrat an meinem mexikanischen Umfeld. Gestrichen also meine gemütlichen Stunden im Ami-Café Starbucks, nur ausnahmsweises Einkaufen in der amerikanischen Supermarktkette und Frauenzeitschriften in englischer Sprache, kaufe ich nur heimlich und verstecke sie unter dem Bett, als seien es verbotene Pornomagazine.

Die Fronten sind klar: Mit keiner auch noch so netten Geste von Seiten des Gringolandes wird man es schaffen, die Mexikaner gegenüber den Amerikanern gütig zu stimmen. Und so bemerke ich an mir, dass die mexikanische Haltung sich bereits unweigerlich auch in meine Denkweise einschleicht.

Und doch scheint es Hoffnung zu geben am mexikanisch-amerikanischen Horizont: Zeigte doch einer meiner Kollegen neulich Interesse an den Zusammenkünften meines Ausländerclubs. Solange sie gut aussehe, würde er sich ausnahmsweise auch mit einer Gringa unterhalten.

Donnerstag, 8. November 2007

Telefonkultur

Flurina: Wisst ihr, dass man in der Schweiz den Namen sagt, wenn man das Telefon abnimmt?
Victor: Wie? dann sagst du einfach "Victor" oder "Flurina" oder so?
Flurina: Genau! oder deinen Nachnahmen!
Cheque: Das ist doch völlig unnötig! Die Leute wissen doch, dass du dran sein wirst, wenn sie dich anrufen!
Victor: Und wie meldest du dich, wenn du nicht zu Hause bist, sondern im Büro?
Flurina: Dann sagst du "INICIA Victor" oder "INICIA Mendoza" oder "INICIA Victor Mendoza"
Victor: Ach waaaaas! Was sagst du denn, wenn du das Telefon bei jemand anderem zu Hause abnimmst?
Flurina: Dann sage ich "Dünki bei Mendoza"
Victor: Wirklich? Das ist ja so lächerlich, das kann ich gar nicht glauben!
Flurina: Lustig wird es, wenn du zB bei deinen Eltern das Telefon abnimmst. Dann sagst du "Mendoza bei Mendoza".
Victor: Also den Bären bindest du mir nicht auf! das glaube ich dir nie und nimmer!
Flurina: Es ist so, glaube mir!
Victor: Die dort drüben sind einfach zu reich! Wie sonst könnte ihnen so etwas einfallen?

Freitag, 2. November 2007

Miau

Als der Ausländer-in-Mexico-Club das monatliche Treffen auf den 31. Oktober ansetzte, ahnte ich schon was. Und tatsächlich! Eine Woche vor dem Treffen wurden alle kommenden aufgefordert, Halloween-gerecht in Verkleidung zu kommen.


Nun sollte man in Mexico dieses importierte Gringo-Fest, das absolut nichts mit der mexikanischen Kultur zu tun hat und aus reinen merchandize-Gründen ins Land gebracht wurde (gleich wie bei uns, nur, dass der Coop die Halloween Artikel in der Fasnachtszeit erneut zum Kauf anbietet) NICHT fördern.

Aber diesmal siegte meine Lust am Verkleiden über das, was man in Mexico tut und was nicht.



Bei meiner letzten Kostümparty hatte ich kein Katzenkostüm gefunden, weshalb ich am Ende halt als Teufelchen ging. Diesmal aber sollte ich meine Katze kriegen! Für einen Wucherpreis von 8Fr. (ich esse 2 mal zu Mittag für dieses Geld!!!) erstand ich ein Set von Katzenohren und - Schwanz. Mehr wollte ich auch gar nicht, wusste ich doch nicht, wie viele der Aufforderung nach Verkleidung tatsächlich nachkamen.

Jesús, der mich abholte, kam dann auch direkt von der Arbeit und somit ungeschmückt (neckisch wäre ja Jesús verkleidet als Jesus gewesen... na ja)


Die Tatsache, dass wir einen Freund von Jesús im Stadtzentrum aufpickten nützte mein Chauffeur, um mir das kulturelle Erbe näherzubringen. Das Monument der Revolution, wo wir Juan aufpicken würden, sollte ich aber nicht nur von Auto aus bewundern. Komm, steig aus und siehe das Ganze von nahem! Ich kann nicht aussteigen! Ich bin eine Katze! Aaaaach, komm schon, du musst es von der Nähe betrachten.


Was konnte auch schon passieren? Schliesslich kannte mich niemand hier! Ausserdem war es schon dunkel, wer sollte schon so genau hinschauen?

Alle. Kaum waren wir ausgestiegen, schienen alle auf mich zu schauen. Kinder zeigten auf mich, Männer pfiffen mir nach, Pärchen unterbrachen ihr Geturtel.

Als Juan endlich auftauchte, sollten mich sämtliche Besucher des Revolutionsmonuments gemustert (und belacht) haben.

Doch wenn ich dachte, ich hätte meine Blamage damit überstanden, hatte ich mich zu früh gefreut.




Wir fuhren die Strasse 3 Mal hinauf und hinab, wir fanden einfach unser Restaurant nicht! Juan bemühte sich, jeden Fussgänger nach der Lokation zu fragen, doch wie erwartet, war der Ausländer-Treff viel zu posh, um unter normalen Leuten bekannt zu sein.


Als Mitfahrerin hatte ich es nicht für nötig gehalten, mir die genaue Adresse zu merken. Leider fühlte sich Jesús als Fahrer ebensowenig verpflichtet.




Wir parkten schliesslich irgendwo, weil die Männer überzeugt waren, dass wir unser Ziel zu Fuss eher finden würden. Genau, was ich wollte: als Katze im versnobten Stadtteil Polanco herumschleichen, ohne zu wissen, in welcher Richtung wir suchen sollten.




Glücklicherweise hatte die Suche bald einmal ein Ende und wir stiessen


ENDLICH zu unserem Grüppchen. Jesús war glücklich, weil er gerne neue Nichtmexikaner kennenlernte, Juan war glücklich, weil er seinen alten Kumpel Gary wiedersah und ich war am glücklichsten: ich traf auf Kostümierte und war kein Freak mehr...




Es gaht en chüele Wind...



...und alli leget d'Händsche a....




...au wänns im Huus drin sind!
Wenn immer sich meine Arbeitskollegen auf ein Drittweltland bezogen, wenn sie von ihrem Land sprachen, protestierte ich scharf! Kochen mit Gas? gibts bei uns auch! Korruption? Gibts überall! Wohlstandsgefälle? Russland nennt sich deswegen nicht Drittweltland!
Und dann kam er. Ein Temperatursturz von Sommer auf Winter, den ich bisher in dem Ausmasse nur in den tückischen engadiner Bergen erlebt hatte. Nun, einmal musste der Winter ja kommen, halb so schlimm! Doch etwas war anders, als im schweizer Winter. Was nur? mochte es die Tatsache sein, dass ich bereits mitten im Büro stand aber keinen Temperaturanstieg zu Draussen merkte???
Der Schock traf tief! Keine Heizungen, keine Isolation, keine Heizöfeli! Dem nicht genug, die Kollegen öffneten gewohnheitsmässig alle Türen und Fenster, wie wir es in der warmen Jahreszeit zu tun pflegten.
Ja hatte denn niemand ausser mir bemerkt, dass über Nacht der Winter Einzug hielt???
Natürlich hatten sie das. Und reagierten mit den Massnahmen, die man in Mexico eben ergreift: Sie zogen Jacke und Handschuhe gar nicht erst aus.
Ich vergass für einen Sekundenanteil alle diplomatische Vorsicht, jeglichen Anstand, verlor mein ganzes Anpassungstalent indem ich schrie: Mexico IST ein Drittweltland!!
Sie verziehen mir, dachten sie das doch schon lange. Allerdings wohl nicht aus den gleichen Gründen wie ich. Stattdessen wunderten sie sich, was dieses Bergmeitli für einen Aufstand veranstaltete, nur weil es ein paar Grad kälter war als eben noch.
Ich gab auf. An alles Bisherige konnte ich mich seit meiner Ankunft anpassen, verklemmte mir jeglichen verwöhnte-Europäerin-Kommentar und hielt alles wacker durch. Das jedoch war zuviel. Mit Fingerlosen Handschuhen tippen, während mir die Klüppli abfrohren? Den Nasenspitz nicht mehr spühren? Die Zunge am Kaffeelöffel anfrieren?
Ohne zweimal zu überlegen rauschte ich aus dem Büro. Nein, nicht auf den Flughafen. Zuerst reichte es 3 U-Bahnstationen bis zum Wal Mart, wo ich den effizientesten Heizer erstand, den ich finden konnte.
Seither werde ich aufgezogen, dass ich mein Öfeli nicht teilen wolle. Mein Angebot, den lieben Kollegen auch eines zu kaufen, lehnen sie jedoch strickte ab, indem sie konsequent die harten Jungs und Mädchen mimen.
Bleibt nur noch ein Problem: Wie komme ich zur Kaffeemaschine, ohne meinen erwärmten Bereich zu verlassen...?

Sonntag, 28. Oktober 2007

Ein Tag im Leben...






Meine Arbeitskollegen kurz vorgestellt:






Cheque schläft...





...Tajin lässt die Kaffeemaschine explodieren...







...Chef Héctor klaut mir den Heizofen...





... Einzig Victor und Jimena scheinen zu arbeiten...
...Oder sind die beiden doch beim Msn-chat?










Schleck!










Es ist schon eine Weile her, seit ich Mexicos grösste Konditorei im Stadtzentrum besuchte. Natürlich ging ich dorthin in der Hoffnung, dass der Laden ein herziges Kafi beherbergen würde, doch leider wurde ich enttäuscht. Stattdessen folgte ich einem Schild, das mit der Aufschrift "Tortenausstellung" in den oberen Stock verwies.






Dort bot sich mir noch nie vorher gesehenes: Torten mit Wasserspiel, Torten in Tweety-Form, Torten als Schachspiel.




Ab dem ganzen Torterama vergass ich völlig, dass ich Torten eigentlich gar nicht mag.






Umso besser, bin ich doch inzwischen auf strenger Akupunktur-Diät! Mit den vorgeschriebenen Nahrungsmitteln kriegt man Körnchen in die Ohren geklebt, die stress- und hungersenkend wirken sollen. Die Chica klebt mir 2 Wochen lang Körnchen für Gewichtsverlust hin und wechselt danach das Ohr, in das sie Körnchen für Taillenreduktion klebt. Humbug? Dachte ich natürlich auch. Doch Esoterik-Kram wirkt tatsächlich! Soweit ich denken kann, ist das die erste Diät, bei der ich Gewicht verliere!!
Mais: von der Menükarte gestrichen: Bschiise zwischendurch nicht ausgeschlossen.

Im Tortillaland ist es gar nicht einfach, auf Brot zu verzichten, bin ich doch inzwischen top geübt darin, mein Menü in den Maisfladen verpackt zu essen! Zuerst die Tortilla mit Bohnenmus (ebenfall auf dem Diät-Index) ausstreichen, dann das Fleisch und Gemüse drauflegen und zuletzt mit Salsa beträufeln. Welche der Salsas scharf, mittelscharf und welche sehr scharf ist, habe ich noch nicht erlickt.
Meine Kollegen scheinen da keinen Unterschied zu machen: egal, welcher Schärfegrad, sie langen bei jeder Salsa gleich Löffelweise zu. Ob dies den schönen mexikanischen Teint ausmacht?






Donnerstag, 11. Oktober 2007

Wie man sich meine Arbeitskollegen vorstellen muss

Kurz vor Feierabend

Victor: * %.- &(*% ...--*%
Flurina: was meinst du?
Victor: * %.- &(*% ...--*%
Flurina: WIE???
Victor: ob du meine Tasse in die Küche bringen kannst!
Flurina: ach so!
Victor: verstehst du einige Wörter noch nicht?
Flurina: Nein, ich kann nur DICH nicht verstehen
Victor: Ich weiss, ich rede etwas zu schnell, ist wegen der Zigaretten
Flurina: Du redest zu schnell weil du rauchst?
Victor: Ja, das macht mich ganz nervös und hyperaktiv
Flurina: Wie wäre es mit Zigaretten mit Tranquilizer?
Victor: Welche mit Pot bräuchte ich...
Rauchst du?
Flurina: nein
Victor: gar nicht?
Flurina: nein
Victor: noch NIE???
Flurina: nein
Victor: nicht einmal Drogen?
Flurina:nein
Victor: Wie ist denn DAS möglich???
Flurina: ---
Victor: Ich werde dir das sofort beibringen
Flurina: wundervoll! "was hat man dir in Mexico beigebracht?" "fumar drogas"
Victor: wie kannst du ohne Drogen auskommen?
Flurina: Ich bin nach Anderem süchtig
Victor: wonach?
Flurina: Kleider!
Victor: Dann gehst du also Kleider kaufen, wenn du deprimiert bist?
Flurina: genau! Und das hilft, sag ich dir!
Victor: niemals!
Flurina: oder ich schaue mir FRIENDS an
Victor: aaaaaaaach!! sag mir nicht, dass so etwas nützt!
Flurina: wie kannst du das wissen, ich weiss genau, dass du dir die show noch nie angesehen hast!
Victor: weil so ein Kommerzzeug nicht gut sein kann!
Flurina: Es soll also besser sein, Drogen zu rauchen, als TV zu schauen?
Victor: Natürlich!!

Samstag, 22. September 2007

Schmetterlinge

Wir können hingehen wo wir wollen, wir können uns vornehmen, was wir wollen - werden wir Frauen doch immer wieder von unserer grössten Schwäche eingeholt. Und selbst ich - betrachte ich mich doch als Frau, die schon einiges diesbezüglich durchgemacht hat - scheine mit den Jahren nicht klüger zu werden.
Und so geschah es: Er tauchte vor mir auf wie aus dem Nichts - und hatte alles: Styl, Eleganz, Charme. Ja, ich gebe es gerne zu, ich habe eine neue Liebe gefunden: Shasa. Ein, zugegeben, etwas ungewöhnlicher Name, aber was kann schon ein Name gegen wahre Liebe ausrichten? Shasa gibt mir alles, ohne, dass ich danach fragen muss. Sasha begleitet mich, egal, wohin ich gehe. Sasha umschlingt mich, schmiegt sich eng an meine Haut und löst dieses altbekannte Kribbeln in mir aus, jedes Mal, wenn ich ihn sehe. Sasha, das ist ein Kleiderladen an der 5 de Mayo.
Als ich ihn betrat, sprühte ich über. Kleidli, Blüsli, Liibli in allen Farben und Stoffen, eng aneinandergereiht an zu wenigen Ständern. Zu viele Frauen zwängen sich durch den spärlichen Platz zweier Kleiderreihen. Verkäuferinnen müssen ausgerechnet ihre Ladung Kleider an diejenige Stange hängen, an der du stöberst. Dicke Mamas wackeln hinter ihren Teenagetöchtern hinterher, um zu kontrollieren, dass diese auch nichts zu gewagtes zum Klassenball aussuchen, und schubsen dich beiseite, Boyfriends stehen gähnend in der Ecke, ungeduldig wartend, bis ihre Mädchen endlich aus der Umkleidekabine kommen, nur, um ihnen zu sagen, dass sie noch etwas anprobieren müssen.
Die Frauen-Shoppingkultur kennt keine Sprache, keine geographische Lage, keine Hautfarbe, sie ist universal, so lange die Kasse die Kreditkarte akzeptiert.

Ich drang in diesen Dschungel aus Gier und Kommerz ein, liess mich schubsen, rempelte versehen die im Wege stehenden Jünglinge an, stöberte durch Stoffe, Farben, Grössen und Muster und beendete meinen Beutezug erfolgreich. Ach - es war, als käme ich nach Hause...

Sonntag, 16. September 2007

Reise ins Ungewisse

Über manche Erfahrungen schreibt man besser erst einige Zeit später. Um die Ereignisse zu verdauen, die Symbole zu deuten und sich bewusst zu werden, dass Arbeitskollegen deinen Blog ins Übersetzungsprogramm werfen.
Über meine Arbeitsreise durch den mexikanischen Dschungel wurde ich zwar bereits vor meiner Landung in Mexiko informiert, doch worauf ich treffen würde, sollte mich niemand vorbereiten können.

Seit fünf Tagen im Land und den Jet Lag noch in den Eingeweiden wurden wir in den Nachtbus nach Tabasco verfrachtet. Der Bus: mein persönlicher Inbegriff des Grauens gleich nach Klassenlager. Ich hatte die doppelte Ration Reisepillen intus und die Schlaftabletten als Geheimwaffe in der Tasche. Da letztere mir im Flugzeug jedoch gerade mal zu einer einzigen Stunde Schlaf verholfen hatten, beschloss ich, darauf zu verzichten und still (und vor allem wach) zu leiden, während die anderen beiden friedlich vor sich hinschlummerten.

Als der Morgen dämmerte, sollte ich mich in einer Landschaft aus Palmen, Dschungelpflanzen und einer ungeteerten Strasse wiederfinden, an deren Ränder barfüssige Kinder unserem Bus nachschauten. Ab meinem Schlafmangel konnte ich das Bild noch nicht richtig wirken lassen und Zeit dazu sollte mir auch nicht gegeben werden. Wir erreichten unsere Destination, wurden von Marisol empfangen und wurden ins Menschenrechtszentrum verfrachtet. Zu diesem Zeipunkt war Marisol lediglich diejenige, die uns abholte und unsere Schlafstätten (zwei Sofas standen drin und ich dachte tatsächlich, dass wir auf diesen werden schlafen müssen: zuviel für eine unter Schlafentzugleidende, mit Pillen zugedröhnte schweizer Stadtfrau) in den Büroräumen des Zentrums präsentierte. Bald jedoch sollte ich erfahren, was alles in dieser Frau steckte.

Ich versuchte verkrampft, mein Spanisch anzuwerfen, während wir durch die Räume des Zentrums geführt wurden, doch es schien, als müsste ich zuerst mein System restarten, bevor ich einen vernünftigen Satz rausbringen konnte

Die Jungs vertrödelten keine Zeit. Unverzüglich starteten sie damit, dem anwesenden Personal die Strategien der Weiterführung des Gewaltpräventionsprograms darzulegen. Für mich war keine Rolle eingeplant. Nicht, dass ich eine erwartet hätte, aber in den kommenden Tagen sollte ich mir wünschen, ich hätte eine. Zumindest eine bessere, als stumm nebenan zu sitzen.








Wenn Marisol spricht, hören alle gespannt zu. Selbst die kleine Nichte Carla











70% der Mütter in Tabasco sind unter 20 Jahre alt. Marisol wusste wovon sie sprach; war ihre Mutter doch erst 14 bei Marisols Geburt.



Zur Vorspeise gehört in Mexiko Suppe, auch bei über 30 Grad im Schatten. Damals in Tabasco noch irritiert, kann ich inzwischen selbst nicht mehr ohne tägliche Suppe sein!


Warten, immer warten: Oft bekam ich nicht mit, auf was wir warteten. Sei es, bis das Essen gebracht wurde, bis der Drucker aufgestartet war oder auch nur um des Wartens willen. Aus einer Kultur kommend, in der jedes Minütli sinvoll (jedenfalls nach unserer Auffassung) ausgenützt werden musste, bekam ich eine regelrechte Lektion in Sachen Warten. Dass es zwischendurch Momente gibt, in denen man einfach die nächste Aktivität abwartet, ist in meinen Breitengraden undenkbar. Gemäss dem Motto "es gibt immer etwas zu tun" muss man fortwährend wenigstens so tun, als sei man beschäftigt, oder man bekommt die Konsequenzen unangenehm zu spühren. Wie entspannend ein zwischenzeitliches Warten sein kann, durfte ich nach der ersten Angewöhnungszeit, in der ich jeweils unruhig nach Beschäftigung suchte, positiv erfahren.

Wir besuchten den Aufklärungs-Workshop , den Marisol, Erika und Miguelito veranstalteten. Die armen Kinder: ausser uns dreien waren noch vier spanische Austausch-Psychologinnen als Besucher anwesend und unter all diesen neugierig beobachtenden Augen fiel es den Jugendlichen schwer, heikle Fragen zu stellen oder auch nur offen zu sprechen. Dabei hatten sie sich doch für dieses Treffen extra zurechtgemacht. Nach Ende des Workshops kamen einige auf Marisol zu: dürfen wir den Workshop wiederholen, ohne all die Erwachsenen?


Señor Condón:


Die Kinder schienen gut über ihn Bescheid zu wissen, weshalb die hohe Anzahl an Teenagerschwangerschaften überrascht. Bleibt nur zu schliessen, dass jene, die den Workshop wirklich nötig hatten, nicht daran teilnahmen.





Tabasco, das war Arbeit gewürzt mit mexikanischem Bier (die Jungs mochten meine mexikanische Panache-Variante nicht...), traditionellem Glacé-Schnee und so vielen Mückensticken, wie sie auf meinen Beinen überhaupt Platz fanden. Die Jungs schienen keine Pause zu brauchen und ich musste einen hohen Gang einschalten, damit ich überhaupt mit ihnen mithalten konnte. An unserem letzten Tag merkte ich, dass meine Beine eine Wachsbehandlung nötig gehabt hätten, aber ich traute mich nicht, es zu erwähnen. Ich wollte das toughe Mädchen sein und nicht mit dem girlie-behaviour anfangen...


Bevor wir unser nächstes Ziel, San Cristóbal, ansteuerten, wollten die Jungs den Umweg über Palenque machen. Ich würde alles kriegen auf dieser Reise: Landschaft, Leute und jetzt sogar Tourismusattraktionen. Die Mayastadt war in den 50-er Jahren inmitten des Dschungels von Chiapas entdeckt worden, nachdem sie hunderte von Jahren vor sich her geschlummert hatte.
Was ich nicht verstand war, weshalb sich die Mayas, eine blühende Hochkultur und Meiser in Architektur, Kunst, ja sogar Astronomie waren, sich ausgerechnet dieses möderisch heisse Klima ausgesucht hatten. Ich sollte eine Transpiration durchmachen, die ich noch nie zuvor erlebt hatte. Kein Stück Stoff an meinem Leib blieb trocken. Das Jäggli, dass ich zum Sonnenschutz mitgenommen hatte, musste ich mir um die Taille binden, damit mein nasser Hinter verdeckt wurde. Leider hatte ich das etwas spät bemerkt, und alle Mitglieder unserer Führung dürften zu diesem Zeitpunkt von meiner einem Windel-Leck ähnelnden Misère schon Notiz genommen haben.





Erst hier erfuhr ich von Erich Von Dänikens Theorie, dass das Sterbebild, welches den bedeutenden Maya-Könik Pacal auf seinem Bett zeigt, nicht das Bild eines Sterbenden war, sondern ein Abbild des Königs in seinem Raumschiff. Ach, müssen wir Europäer uns auf diese Weise erkenntlich machen? Müssen wir uns in alles einmischen?



San Cristóbal empfing uns mit einer angenehmen kühlen Brise und - ach - Bergen.










Die Touristen nutzten die schöne Altstadtkulisse als Hintergrund ihrer Erinnerungsfotos, was mich auf die Idee brachte, uns drei Reisende zumindest auf einem Foto zusammen zu verewigen. Leider wurde das Foto nicht besonders gut, da wir nicht auf den Klick gefasst waren. Wir waren in dem Moment gerade dabei, dem Fotografen die letzten Anweisungen zu geben...


In San Cristóbal sollte ich Schelte kriegen. Wieso war ich auch im wichtigsten Moment der Sitzung mit unseren San Cristóbal-Leuten abgeschweift? Und wenn ich abgeschweift sage, dann meine ich: für den ganzen Rest unseres Meetings. Ich dachte in dem Moment, dass ich mir das erlauben könne nach all den Anstrengungen konzentrierten Zuhörens in den letzten Tagen. Das alles wäre noch nicht so schlimm gewesen, hätte ich nicht am Abend über den anstehenden Workshop ausserhalb der Stadt befragt, worüber während der ganzen Sitzung gesprochen wurde... Doch zu dem Zeitpunkt dachte ich immer noch nicht, dass dies derart schwerwiegende Aussichten habe würde.



Erst beim Frühstück sollte ich ins Verhör genommen werden. "Was genau weisst du eigentlich über die Gegend, in der wir uns befinden? Es scheint uns sehr, als verpasst du eine Menge, weil du vieles nicht verstehst! Sag uns jetzt, was du über Mexiko weisst! Die Art, wie Tajin seine Fragen stellte, war nicht belehrend, sondern gemein. Autsch! Ich musste an meinen dicken Erstklass-Reiseführer denken und all die Stunden, die ich darin über Chiapas gelesen hatte, seit ich wusste, dass ich in diese Region geschickt werden würde. Nachträglich stelle ich mir die Gute-Nacht-Unterhaltung der beiden vor, nachdem ich mich vor Tajin als "Sitzungs-Abschweifer" geoutet hatte: "Ich glaube, wir haben Flurina überschätzt" oder "Sie interessiert sich nicht genug für die Problematik" oder "Es war nicht klug, sie herzuholen" - - -

Ich reagierte wie immer in solchen Situationen: keine Defensive! mach sie nicht noch mehr wütend, gib ihnen keinen Grund, noch mehr aufzutrumpfen. Gib ihnen Recht und versprich, dich zu bessern.

Schon kurz danach jedoch hatte ich das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben, mit meiner Strategie, mich für dumm zu verkaufen. Jetzt würden sie sich darin bestätigt fühlen, dass ich als unwissender Trampel hergekommen war. Ich fühlte eine Wut aufsteigen, die sich meiner derart bemächtigte, dass ich nicht einmal ein Wort herausbrachte. Ich war so wütend, dass die beiden mich anscheinend für ein Euro-Dummchen hielten, dass ich mich unbedingt rechtfertigen wollte.

Ich öffnete den Mund, um Tajin die ganze Schande zu sagen, aber was herauskam klang wie durch Katzenpfötchen gesprochen. Ich war dazu erzogen worden, nicht wütend mit jemandem zu sprechen. Also schmückte ich meine Worte mit weissem und rosafarbenem Zuckerguss. Vielleicht war es besser so. Ich forderte seinen Verteidigungsmechanismus nicht heraus, sondern erlaubte ihm, zu sagen, was er dachte. Ich war nicht ganz sicher, ob ich nach unserer Unterhaltung seine Vorurteile abgebaut hatte. Beide meiner Reisegspähnli waren mysteriös. Ich sollte nie genau wissen, was sie wirklich über mich dachten.


Tags darauf schliesslich gingen wir tatsächlich zum verhängnisvollen Workshop aufs Land. Die gute Strasse wurde von einer schlechten abgelöst. Diese wiederum von einer ungeteerten Landstrasse. Ab dem ganzen Geholper nicht genug war auch diese auf einmal zu Ende und wir fuhren auf einem Gemisch aus Wiese, Steine und Lehmboden. Und dies quer durch eine Weide aus Kühen uns Esel.

Einmal ausgestiegen sollte ich erfahren, wozu ich während meiner ganzen Kindheit in den engadiner Bergen herumgekraxelt war und ein Leben in der Wildnis gelehrt wurde: Unsere Schlafhütten waren in der Landschaft verstreut, wobei keinerlei Licht die Konsistenz des Weges dahin preisgab oder auch nur vor sumpfigen Stellen in der Wiese warnte. Einzig mein Taschenlämpli bewahrte uns davor, im Morrast steckenzubleiben.


Wahrscheinlich ist man nie völlig zufrieden mit der Situation der eigenen Familie. Bis man diese Kinder sprechen hört. Im Workshop sollten sie ihre Familiensituation schildern. Das allein war Grund genug, weshalb einer nach dem anderen in Tränen ausbrach. Zerbrochene Familien, Eltern in den USA, Gewalt, Strassenleben: Die Kinder waren nicht aus einem Heim abgehauen. Sie repräsentierten den normalen Durchschnittseinwohner von Chiapas. Dem Chiapas, von dem Touristen schwärmen, wo sie architektonische Kunstwerke fotografierten und von dessen Landschaft sie zu Hause ihren Freunden erzählten.


Als ich hörte, was die Kinder alles erleben mussten, schämte ich mich, dass ich bezüglich meiner Familie je von einem Problem gesprochen hatte.

Wie konnte man diese Spirale von Gewalt und Elend je durchbrechen? Den Kindern jedoch war von ihrer Situation nichts anzumerken. Sie lachten, sie spassten und gaben mir damit die Hoffnung, dass sie trotz ihrer trüben Vergangenheit eine heitere Zukunft haben konnten.






Wie gestaltet man einen Workshop für Gewaltprävention bei Jugendlichen, die bereits Opfer, Täter oder beides zusammen waren? Die Kinder glänzten mit Enthusiasmus und Engagement. Kids in meinen Breitengraden könnten sich ein Beispiel nehmen




Das Teilen ihrer Erlebnisse sollte alle zusammenschweissen. Waren sie in der Hinfahrt noch einzelne, einander unbekannte Personen, traten sie die Heimreise als einziges Ganzes an.




Die dreistündige Fahrt musste ich nutzen, um Cheque zur Rede zu stellen, weshalb er mich ignorierte. Cheque: ich habe drei Tage gebraucht, um die Strategie mit der Bande und den multiplen Antworten auszutüfteln!! Dank den Jungs gestaltete sich unsere Reise zu meinem eigenen privaten Workshop für effiziente Kommunikation.


Unsere letzte Station lag im Staat Oaxaca. Nach einer Woche in den Bergen von Chiapas kamen wir gerade rechtzeitig wieder ins heisse Unterland: waren doch inzwischen alle meine Mückenstiche von Tabasco verschwunden und meine Beine und Arme boten reichlich Platz für neue...












Cheque und Tajin machen Frühstück: Mexikanische Eier mit Tomaten und Chili und - nie und nimmer dürften die fehlen - Tortillas. Ein Mexikaner würde sich nie mit lumpigen Gomfibrötli zum Zmorge begnügen. Es muss mindestens etwas sein, das man in eine Tortilla füllen kann. Dies nicht zuletzt, weil das Mittagessen erst um drei Uhr ansteht. Und so überwandte auch ich mich, entgegen meiner Gewohnheit. beim Frühstück tüchtig zuzulangen. Bevor ich einen mexikanischen Kochkurs besucht habe, dürfte ich in der Küche wohl nichts ausrichten können, was folgender Dialog zeigt:



Flurina: womit kann ich euch helfen?



Cheque: du könntest die Tortillas wärmen



Flurina: Soll ich sie in die Mikrowelle werfen?



Cheque (schockiert) ich mache es selber...



Während unseres Aufenthalts in Oaxaca fühlte sich Tajin nicht wohl. In einer Arbeitspause liehen wir uns deshalb ein Auto eines Lehrers aus, in dessen Schule wir unser Programm vorstellen, und fuhren das Dorf ab auf der Suche nach einer Adresse, die man Tajin angegeben hatte. Wir hielten an einem Haus, als wir uns eingestehen mussten, dass wir uns verfahren hatte und Celia klingelte, um sich nach unserem Ziel zu erkundigen. Sie kam in den Wagen zurück und meinte, wir sollten einfach nach der Hexe fragen. Mir wähnte nichts Gutes. Durch eine religiöse Reinigung wollte Tajin sich also helfen lassen. Gleichzeitig war ich unheimlich neugierig, was wir bei der Hexe antreffen würden.


Geheiligter Tod, reinige Tajin von seinen Leiden, hörten wir die Hexe murmeln, während wir draussen warteten. Cheque machte mich auf einen Käfig mit einer Tarantel aufmerksam, der in der Ecke stand. Wo waren wir nur gelandet? Aus lauter Neugierde hätte ich mich selber gerne reinigen lassen. Die Prozedur dauerte jedoch so lange, dass ich mir nur wünschte, wieder in mit Ventilatoren ausgestattete Räumlichkeiten wechseln zu können. Ein andermal würde ich mich reinigen lassen. Hexen gibt es in Mexiko genug.


Als ich - wenige Tage vor meiner Abreise nach Mexico - meinen 30. Geburtstag feierte, vermisste ich die Portion Weisheit, die, wie ich fand, zu diesem Alter gehörte. Ich war enttäuscht, dass ich lediglich älter, nicht aber weiser fühlte. Nach zwei Wochen Mexiko total und einer Reise, während derer ich alle Register ziehen und gar neue erstellen musste, fühlte ich mich endlich - positiv anders.

Mittwoch, 12. September 2007

Tischgespräch

Am Zmittags-Tisch:

Hector: Flurina, wann machst du uns dein mousse au chocolat?
Flurina: Du könntest uns zu dir zum Essen einladen, dann bringe ich es?
Hector: Ich soll euch einladen, damit du dein mousse machst?
Flurina: ich könnte es hierher bringen, aber da der Kühlschrank nicht funktioniert, kann es nicht kühl bleiben
Hector: Und welche Zutaten brauchst du dafür?
Flurina: Frische Eier. Gibt es hier Eier mit Legedatum?
Cheque: Nein, unsere Eier haben Küken drin
Hector: Frische Eier in Mexico-Stadt? Das wird aber schwierig
Flurina: Nun, es reicht, wenn sie nicht verdorben sind...
Victor: Und womit isst man das Mousse?
Flurina: Nun, man isst es einfach so...
Victor: Einfach so, ohne etwas?
Flurina: Nun, man kann Guetzli dazu essen...
Victor: Ach, es kommt mit Guetzli?
Flurina: Ja, ich bringe euch Guetzli, wenn ich das mousse mache
Victor: Und worauf isst man es?
Flurina: nun, mann isst es einfach...
Victor: Man wickelt es nicht ein?
Flurina: Nein, auf keinen Fall, man ist es total pur!
Cheque: Kann man es wenigstens in eine Tortilla füllen?
Flurina: - - -

Sonntag, 12. August 2007

Tage 3 und 4: Wochenendaktivitäten

Schon 4 Tage in Mexico und noch keine Magenbeschwerden! Ich bin selber überrascht. Ja, auf die käseüberbackenen und in Oel gebratenen Chili-Tacos verzichte ich, aber normalerweise wirken solche Vorsichtsmassnahmen überhaupt nichts. Tja, dafür hat sich eine andere prognostizierte Krankheit bewahrheitet: Heute Morgen wachte ich mit verstopfter Nase und schwammigem Kopf auf. Wie soll man sich auch davor schützen? Am Morgen ist es frisch, Tagsüber brütend heiss und am Abend wieder kühl! Dazu kommt und geht ein Wind, dessen Gefährlichkeit man nicht abschätzen kann.



So nützlich es für meinen Anfang hier ist, dass ich nicht das Erste Mal in Lateinamerika bin, so unvorbereitet treffen einem doch wieder alltbekannte Unannehmlichkeiten: Nie kann man sich ganz gegen Draussen verriegeln. Die Fenster dichten nicht, die Türe schliesst nicht. Somit entgeht es der Natur draussen nicht, dass jemand eingezogen ist. Ich hielt mich für clever und klebte die kleine Öffnung zwischen zwei Kacheln zu, durch die die Ameisen eindrangen und bereits im Begriff waren, die Krümel meines Hühnersandwiches wegzutragen. Leiter hatten sie wenig später beim Fenster einen neuen Eingang gefunden.

Nachdem als Notlösung kochendes Wasser reichen musste konnte ich wenig später nach dem Frust über mein neues Zuhause einen der grossen Vorzüge geniessen, als ich mir einen Insektenspray besorgte. Ja, nach meinem Schweiz-Zwischenjahr war ich endlich wieder in der Zivilisation: wo man am Sonntag um die Ecke Insektenspray kriegt.

Tag 2: an die Arbeit

Im Nachhinein waren es nur ein paar Fragen, die mir zu Beginn meines ersten Arbeitstages gestellt wurden. Doch bewirkten sie, dass ich mich fragte, was ich eigentlich hier tue. War ich denn qualifiziert? Was hatte ich schon für Erfahrung? Für Wissen? Was konnte ich überhaupt bieten? Weshalb musste ich so alt werden, um so wenig gemacht zu haben? Meine neuen Arbeitskollegen schienen jünger als ich und weitaus erfahrener. Einen Moment lang dachte ich tatsächlich, man würde mich wieder ins nächste Flugzeug zurück schicken.
Statt dessen musste ich mich in die Lektüre vertiefen. Was mich nicht gerade erleichterte. Was würde er zu meinem langsamen Lesetempo sagen? Würde ich im Anschluss noch wissen, was ich gelesen hatte? War ich denn überhaupt gescheit genug für diese Arbeit? Wie lange würde es dauern, bis sie bereuen, mich hergeholt zu haben?

Auf alle Fälle war ich ihnen so viel Wert, gefüttert zu werden. Um 15 Uhr isst man in Mexico zu Mittag. Egal, was man auf dem Teller hat, man isst es nicht einfach mit der Gabel, sondern wickelt alles zuerst in eine Tortilla, bevor es den Weg in den Mund findet.

Also folgte ich dem Ritual. Wenigstens mit meiner Anpassungsfähigkeit wollte ich glänzen.

Samstag, 11. August 2007

Die ersten Tage in Zeitlupe: Tag 1: Ankunft

"Ich denke, das Auto müsste ungefähr hier stehen". Dabei macht Hector eine grosszügige Armbewegung. Das eigene Auto wiederfinden in Mexico Flughafen: in Sachen Abenteuer wurde mir nicht zuviel versprochen.

Ich hatte mir meinen Chef anders vorgestellt - aber wann trifft man mit diesen Vorstellungen schon ins Schwarze? Die erste Begegnung hatte ich denn auch total vermasselt. Als ich kein Schild meines neuen Arbeitgebers sah, trottete ich bei der Ankunft einfach mal in Richtung Ausgang. Während ich im Jet-Lag Tempo umherschaute, hörte ich wie aus dem Nichts eine starke Stimme neben mir "Flurina!" sagen.

Ich erschrak ab diesem plötzlichen Auftauches Hectors, obwohl er gerade mal so gross war wie ich. Wir haben unser Erkennungsschild im Büro vergessen, sagte er aufgeregt, also haben wir nach einer nervös umherschauenden Europäerin gesucht! Wenn ich aufgeregt sage, dann meine ich damit so aufgeregt, wie Hector eben sein konnte. Der Mann war die Ruhe in Person und liess auch die Tatsache, dass wir sein Auto im Parkhaus nicht mehr fanden, völlig cool wirken.

Ich gehe schnell jemanden fragen, meinte er und steuerte den nächsten muchacho an, der im Parkhaus sein Auto polierte. Da stand ich also. Angekommen in meinem neuen Wohnort, mit all meinem Gepäck, stehen gelassen im Parkhaus des internationalen Flughafens von Mexico. Doch schon der nächste Tag sollte zeigen, dass ich mich weniger zu fürchten hatte, wenn ich alleine war, als wenn er mit mir war.